Zwangsarbeit in unserer Heimatstadt Schweinfurt
Durch Zwangsarbeiter wurde die Kugellagerindustrie während des Krieges am Laufen gehalten.
Seit 2011 erinnert die INITATIVE GEGEN DAS VERGESSEN mit einem Gedenkort an die vielen tausend Zwangsarbeiter in Schweinfurt. Dieses dunkle Kapitel deutscher und auch Schweinfurter Geschichte soll nicht in Vergessenheit geraten, deshalb sind wir, die Klasse 10c, am 28.10. 2022 mit einem Mitglied von der INITATIVE GEGEN DAS VERGESSEN den Gedenk-Weg gegangen. Über das, was wir erfahren haben, berichten wir hier.
Als im 2. Weltkrieg alle Männer in den Krieg ziehen mussten, gab es zu wenig Arbeitskräfte für die Arbeitstätigkeiten im Reich. Das Nazi-Regime begann deshalb aus den von ihnen besetzen Gebieten Männer, Frauen und auch Kinder mit nach Deutschland zu verschleppen und sie so zu unfreien Arbeitsverhältnissen zu zwingen. Was am Anfang noch auf Freiwilligkeit basierte, entwickelte sich rasch zu einer gezwungenen Verschleppung. In Schweinfurt wurden Kugellager hergestellt, die für jedes Fahrzeug, auch für Panzer, nötig sind. Daher waren viele Zwangsarbeiter in Schweinfurt. Es gab große Barackenlager für die Arbeiter der Großindustrie. Das waren damals die Firmen VKF, Sachs und Kugelfischer. Nach den Recherchen der INITATIVE GEGEN DAS VERGESSEN waren wohl insgesamt ca. 13000 Zwangsarbeiter während des 2. Weltkrieges in Schweinfurt.
Dabei machten die Nationalsozialisten Unterschiede zwischen verschiedenen Nationalitäten. Sogenannte „Ostarbeiter“ galten als besonders minderwertig. Dies zeigte sich unter anderem in einer Kasernierung in den Baracken, während sich Zwangsarbeiter aus westlichen Ländern in der Stadt Schweinfurt bewegen durften.
Durch die INITATIVE GEGEN DAS VERGESSEN konnten wir Eindrücke von der Verschleppung der Menschen gewinnen oder auch erfahren, wie es für sie war, als Arbeiter hier arbeiten zu müssen. Wir zitieren nun den Franzosen Raymond Cousin, der hier in Schweinfurt bei VKF, Fichtel und Sachs und Kugelfischer gearbeitet hat: „Anfang Dezember 1942 verließ ich meine Arbeitsstelle in Paris und wollte nach Hause. Zwei Deutsche mit schwarzen Ledermänteln hielten mich an und führten mich ab. Meine Angehörigen wurden verständigt, um mir Kleidung und Essen zu bringen. Am nächsten Tag sah ich sie noch einmal, bevor der Zug abfuhr und wir in geschlossenen Viehwaggons zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verfrachtet wurden.“ Noch mehr Menschen, die interviewt wurden, erzählen fast alle dasselbe. So auch Pelagieja Petriwna Iwanowa, die als ukrainische Zwangsarbeiterin bei Kugelfischer arbeitete und erst 18 Jahre alt war. Als sie erfahren hat, dass sie nach Deutschland verschleppt werden sollte, floh die 18-Jährige zu ihrem Bruder. Sie wurde trotzdem zwei Tage danach gefunden und musste sich von ihrer Familie verabschieden. Sie berichtete ebenfalls, dass sie in Waggons „gepfercht“ wurden und so nach Deutschland transportiert wurden.
Zuerst wurde man in ein Zwischenlager in Hammelbug verfrachtet. Regelmäßig kamen dann Vertreter verschiedener Firmen, um sich die Kräftigsten unter den Gefangenen auszusuchen. In einem großen Zimmer standen dann ein paar Tische, wo jeweils die Männer der Firmen saßen. Sie suchten sich Arbeiter für ihre Firma aus. Zehn Mann auf einmal gingen dann jeweils in einer Reihe zu einem Tisch und man musste seinen Namen sagen und seinen Beruf. Die Facharbeiter, also die Spezialisten, kosteten zehn Reichsmark und die ungelernten kosteten nur acht Reichsmark als Vermittlungsgebühr. Zuletzt wurde das Firmenschild an die verkauften Arbeiter angeheftet.
Leider versteht man bis heute immer noch nicht, warum man die Menschen früher so grausam behandelt hat. Hat einer der Zwangsarbeiter einen abgefallenen Apfel aufgehoben, hat man ihn fast zu Tode geprügelt. Die Zwangsarbeiter mussten in Schichten von zwölf Stunden arbeiten, mit einer kleinen Mahlzeit mit wenig Pause. Nach Bombenangriffen konnte es sein, dass sie in der Stadt Trümmer aufräumen mussten. Für uns ist unerklärlich, wie wenig Mitgefühl die Menschen von der NSDAP hatten.
Manchmal haben Menschen probiert, den Zwangsarbeitern zu helfen, indem sie zum Beispiel Essen durch den Zaun gaben. Ein Oberndorfer Schüler, der jeden Morgen am sog. Russenlager an der Straße Obere Weiden vorbeifuhr, sah, dass die Arbeiter durch den Zaun das Gras abzupften und es aßen. Daraufhin hat er beschlossen, dass er für sie jeden Morgen ein Brot in seinem Turnbeutel versteckt und es ihnen dann gibt. Nach einer gewissen Zeit fand es sein Vater heraus und er durfte den Menschen kein Brot mehr bringen. Nicht nur außerhalb des Arbeitslagers helfen Menschen den Arbeitern, sondern auch im Arbeitslager helfen sich die Menschen gegenseitig mit Essen aus. Anastasia Iwaniwna Shemera erzählte, dass ihr ein deutscher Arbeiter manchmal auf die Schulter klopfte, was hieß, dass er ihr ein Butterbrot in einer Schublade versteckt hat. Trotzdem war der Hunger groß, da es frühs nur eine dünne Suppe, mittags drei Kartoffeln und abends ein Stück Brot gab.
Frauen nähten sich aus Sackstofflappen, die die Deutschen eigentlich benutzen, um ihre öligen Hände abzuwischen, ihre Röcke. Duschen durfte man sich auch nur einmal in der Woche und gegen die Läuse musste man sich Benzin in die Haare geben. Wenn man seine Menstruation hatte, gab es einen Sack voller Stofflappen, die die Frauen dann als Binden benutzen mussten. Durch die schlechte Ernährung hatten die meisten keine Periode, viele auch Monate nach der Befreiung noch nicht. Manche der Frauen wurden sogar unfruchtbar. Wenn man schwanger war, wurde man auch nicht verschont. Man musste auch weiterarbeiten. Wenn man ein Kind zur Welt gebracht hatte, wurden weder Frau noch Kind zu einem Arzt gebracht, auch nicht wenn sie krank waren. Je nach Schicht wurde dann auf die Kinder aufgepasst, die Kinder wurden durch die Baracke gereicht.
Damit diese schlimmen Ereignisse nicht vergessen werden, wurde ein Gedenkort in Schweinfurt erbaut. Er wurde vom Künstler Herman de Vries entworfen. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und wir aus unserer Vergangenheit lernen sollten. Es wurden drei Linden an der Gedenkstätte gepflanzt, was auch Friedensbäume sind.
Wir schließen mit einem Auszug aus dem Grundgesetz, der uns wichtig ist:
Artikel 1
- Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 2
- Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (…)
- Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Artikel 3
- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Wir, die 10c, bedanken uns für die interessante Führung bei der INITIATIVE GEGEN DAS VERGESSEN.
Schauen Sie auf der Seite www.initiative-gegen-das-vergessen.de, falls sie noch mehr über Zwangsarbeit in Schweinfurt herausfinden oder Lebenserinnerungen einzelner Zwangsarbeiter nachlesen wollen.
Von Mariella Hauck und Arina Michel